Wolle und was man beachten kann

Wolle ist nicht gleich Wolle. Jede Art und Sorte läßt sich anders verarbeiten. Auch die Wollstärke beeinflußt das Gesamtergebnis.

01. Welche Wolle ?

Im Grunde funktioniert fast jede Wolle . . .
  • Baumwolle
  • Schafwolle
  • Seidengarn
Es ist also eher die Frage, wie „authentisch“ (im Sinne von "glaubwürdig") es sein soll, und wie gut die eigenen Kenntnisse bereits im Kammweben sind. Wir müssen uns daher auch folgendes fragen:
  • Welche Wolle gab es in dem Umfeld der Person, die man darstellen möchte. War man auf das angewiesen, was es vor Ort gab oder konnte man sich Wolle von Händlern leisten, die diese von ihren Reisen mitbrachten ?
  • Zu welchem Stand gehört die Person, die man darstellen möchte. Reiche Leute konnten sich teure Materialien leisten, während ein einfacher Mann sich höchstens eine gewebte Borte aus Schafswolle leisten konnte..
  • Soll meine Kammborte eine Replik sein oder nicht. Wenn es eine Replik sein soll, dann muß man sich in Museen umschauen, und hoffen, dass es Funde aus der gewählten Zeit und Ort gibt.
Tipp für den Anfänger:
Für "blutige" Anfänger empfehle ich "Schulhäkelgarn", z. B. von der Fa. Wolle Rödel1 mit der Bezeichnung "Cotton Universal" (100% Baumwolle, Lauflänge: 85 m / 50 g, Nadelstärke: 4.0-5.0). Das ist ein klassisches, nicht mercerisiertes Baumwollgarn in mittlerer Nadelstärke, was überdies recht preisgünstig ist. Alternativ geht auch die dünnere Version mit der Bezeichnung "Creative Cotton dk" (100% Baumwolle, Lauflänge: 115m /50g, für Nadelstärke: 3.0-4.0). Diese finde ich sogar noch besser.

Nun sucht man sich ein Muster aus, was mit wenigen Fäden auskommt. Der Vorteil ist, dass das Aufschären flott geht, und das fertige Band nicht zu breit wird.

Da kann eigentlich nichts schief gehen, wenn man einen stabilen Webkamm benutzt.

Beim Kammweben, als auch beim Brettchenweben, sollte man auf  "Strick-" und "Sockenwolle" verzichten, da diese Wolle leicht reißen kann.  Beim Bandweben ist es einfach so, dass die Spannung der Kettfäden höher ist als beim Stricken.

02. Wo bekommt man Wolle her ?

a) Rohware

Rohware gibt es käuflich bei einigen Mittelalterständen zu erwerben. Hierbei kann der Preis gehörig schwanken. Vergleichen und auch Preisverhandlungen sind hier also angesagt (und werden oft auch erwartet und gewünscht). Oder wie wäre es mit Tauschgeschäften ? Hier kann man das frühmittelalterliche Leben bewusst selbst einmal (er-)leben.

Eine Alternative ist es, einen Schäfer zu fragen. Schäfer haben oft einen Wollüber-schuß und sind froh, wenn Interessenten kommen. Diese Wolle kommt dann aber zumeist direkt vom Schaf, ist also völlig unbehandelt !

b) Wollgarne

Ich empfehle den Kauf von Wolle vor Ort, weil es hierfür einige Vorteile gibt:
  • Man kann die Wolle sich ansehen, diese fühlen und Farben so aussuchen, dass diese gut zusammen passen, wenn man nicht selbst färben möchte oder kann.
  • Man spart lange Wartezeiten, Porto und Verpackungskosten.
  • Man unterstützt den Fachhändler vor Ort. Wenn jeder woanders kauft, muß man sich nicht wundern, wenn die vielen kleinen Läden vor Ort schliessen müssen.
Wollgarne gibt es in mehr oder weniger guter Qualität in jedem Handarbeitsladen vor Ort, Kaufhäusern oder gutsortierten Supermärkten.

Tipp aus der Praxis:
  • Lasst Euch einen kleinen Strang von der Wolle geben.
  • Diesen Strang nehmt ihr zwischen beide Hände und reißt ihn kräftig auseinander. Wenn er nicht reisst, ist alles in Ordnung, reisst er, vergeßt diese Wolle.
Natürlich gibt es auch im Internet jede Menge gute Bezugsquellen (Die Spindel, Wolle Rödel, Buttinette und mehr). Ein paar Links finden sich auch auf unserer Webseite / Blog.

03. Behandlung von Wolle (Schaf)
« Die Wolle kann ganz normal in der Badewanne eingeweicht werden. Vorher sollte man aber die ganz dreckigen Stücke raussortiert haben.

Man kann auch ein ganz mildes Shampoo zusetzen, damit nicht zu viel Lanolin ausgewaschen wird. Nicht zuviel Wasser nehmen, gerade so, daß das Vlies bedeckt ist.

Jetzt kommt's: Es STINKT !!! (klar, alle Schafknöddel wird man aus dem Vlies nicht vorher rausklauben können) Die Badewanne wird mit einer BRAUNEN EKLIGEN BRÜHE gefüllt sein !!! Unbedingt ein Flusensieb für den Abfluß bereit halten und immer die FENSTER OFFEN LASSEN !!!

Die Wolle nur leicht drücken und nur LAUWARMES Wassser nehmen. Mehrfach ausspülen (Wasser ablassen, mehrfach frisches Wasser nachlaufen lassen).

Die braune Farbe kommt vom Wollfett (Lanolin) und läßt sich gut wieder vom Badewannenrand abwaschen. Zum Trocknen das Vlies am besten auf ein Handtuch und dann auf einen Wäscheständer legen. So kommt von allen Seiten Luft dran. Die Trockenzeit ist recht lange, da Wolle ja bekanntermaßen viel Wasser aufnehmen kann. Ich lasse das Vlies immer auf dem Balkon trocknen.

Nach dem Trocknen kann dann ganz normal weiterverarbeitet werden.»
Quelle:
Posting von Madara, Taverne Mittelalternetzwerk (Forum nicht mehr existent)

04. Ein Wort zum Thema "Wollallergie":

Leider gibt es viele engagierte Leute, die unter Allergien / Unverträglichkeiten leiden. Wer eine Wollallergie hat, muß diese Wolle meiden, und sich notgedrungen eine (belegte) Alternative suchen. Da gibt es - meiner Meinung nach - auch keine Diskussion. Gesundheit geht IMMER vor, egal ob es manchem "A-Papst" in den Kram passt oder nicht. Keiner hat was davon, wenn sich Betroffene schlußendlich im schlimmsten Fall auf der Intensivstation des nächstgelegenem Krankenhaus wieder finden.

Als Alternative zu Schafwolle kann man sehr gut auf  Leinengarne  ausweichen.  Leinen oder Flachs (altgriechisch linon und lateinisch linum ‚Lein‘) wird sowohl die Faser des Gemeinen Leins als auch insbesondere das in der Leinenindustrie daraus gefertigte Gewebe bezeichnet, letzteres auch Leinwand, Leintuch oder Linnen genannt. Leinen nimmt bis zu 35 % Luftfeuchtigkeit auf und tauscht diese Feuchtigkeit auch schnell mit der Umgebungsluft aus, wirkt somit kühlend, ist dennoch trocken wärmend.

Naturfarbenes Leinengarn gibt es unter anderem für Häkelnadel der Stärke 1,5 - 2. Man muß das Garn natürlich noch selbst färben, dann ist das durchaus auch glaubwürdig. Nachteile gibt es allerdings auch:
  • Leinengarnstärke 1,5 bis 2 ist sehr dünn. Man muß sich gut überlegen, was man daraus machen möchte. Wer damit ein Stück Stoff am Webrahmen weben möchte, sollte vielleicht sogar einige Jahre einplanen. Hingegen macht es Spass, wenn man hiermit Borden herstellt oder mit dem Garn etwas bestickt.
  • Leingarne sind leider oft nicht gerade preisgünstig.
  • Merke:
    • Bei gleichem Webmuster gilt:
    • Schmale Borte bei dünnem Garn
    • Breitere bei dickerem Garn
Wichtig zu wissen: Flachs wurde normalerweise auf den besten Böden angebaut, denn nur so erntete man einen Flachs mit feinen Fasern. Es ist also ein Rohstoff, der früher sehr teuer gewesen sein muß. Das schliesst aber dann eine Darstellung der unteren Gesellschaftsschichten aus, wenn man es unter dem Gesichtspunkt des großen "A" sieht.

Ein weiterer pflanzlicher Rohstoff ist Baumwolle. Hier gibt es allerdings ein großes ABER, denn Baumwolle ist für die Wikingerdarstellung nicht authentisch1. Sie wird aber bei einer echten Allergie mitunter notwendig.

05. Wieviel Wolle brauche ich ?

Leider gibt es auch hier Unterschiede in der Literatur, so dass ich Euch nur das sagen kann, wie man es mir beigebracht hat. Bisher hat das auch immer gepasst. Ansonsten gilt die Weisheit: "Was nicht passt, wird passend gemacht !". Sicher kennt Ihr das auch von anderen Lebenslagen, oder ?

Die Formel für die Berechnung der einzelnen Kettfäden lautet:
  • Wunschlänge des Bandes + 20 % + 60 cm
Das bedeutet dann also:

Für einen Kettfaden benötigt man 1,80 m, wenn das Band 1m lang sein soll.
Rechnung: 1m + 20% (= 20 cm) + 60 cm = 1,80m

Probiert es einfach einmal selbst aus. Notiert dabei einfach Eure Erfahrungen. Hierbei wäre folgendes Schema hilfreich:
  • Art der Wolle
  • Bezugsadresse
  • Bemerkungen

06. Wolle vor Schmutz schützen

Okay, das erinnert mich an das Buch "Der Trotzkopf". Ich werde nun garantiert nicht sagen, dass man sich vorher die Hände waschen soll ! Das versteht sich von selber.

Wolle kann gerade bei Veranstaltungen auch mal in den Dreck fallen, wenn sie lose irgendwo zwischen den Kleidern in der Truhe liegt. Es macht Sinn, sich eine kleine separate Truhe (Kiste) zu bauen, wo alles vernünftig aufbewahrt werden kann.

Es gibt auch sogenannte "Garntaschen", z. B. von Mayflower oder ArtBin, die allerdings auch nicht gerade preisgünstig sind (ab ca. 20,- Euro). Diese sind nützlich, aber natürlich nicht "authentisch" für historische Veranstaltungen.